Alle Artikel von Mo Freiknecht

Das ESOPUS Magazin

Und noch ein Bericht über den Inhalt meines Postkastens. Ich habe ein Faible für Gedrucktes. Für besonders gut gedrucktes ganz besonders. ESOPUS ist eine dieser besonders gut gemachten Drucksachen. Ein Magazin wie kein anderes. Ein Gesamtkunstwerk. Jedes Mal.

ESOPUS ist ein zweimal jährlich erscheinendes Magazin über Kunst, Kultur, Poesie und so viel mehr. Es enthält ausschließlich bisher unveröffentlichte Beiträge von Künstlern, Journalisten, Musikern und anderen Kreativen. Jeder kann mitmachen. Jeder kriegt 300 Dollar für eine Veröffentlichung. ESOPUS enthält keine Werbung! Kein einziges kleines Fitzelchen Werbung. Ein Magazin kostet zwischen 10 und 15 Euro. Esopus finanziert sich durch die ESOPUS Foundation. Jeder der etwas spendet, wird im nächsten Heft namentlich genannt. Egal ob 25.000 oder 5 Dollar. ESOPUS wird von Tod Lippy in New York herausgegeben. Die unterschiedlichen Beiträge werden auf unterschiedliche Papiersorten gedruckt. Mal dick und schwer, mal transparent, mal glänzend, mal matt. ESOPUS enthält immer Drucke zum heraustrennen, kleine Zettel, ausklappbare Seiten oder ähnliche Spielereien. Jeder Ausgabe liegt eine CD mit eigens für ESOPUS komponierten Liedern verschiedener Musiker zu einem bestimmten Thema bei. Klingt wie ein Traum. Ist es auch.

Gestern lag die 19. Ausgabe in meinem Postkasten. Und obwohl ich weiß, dass dieser Beitrag nur schlecht vermittelt wie toll dieses Magazin ist, weil ESOPUS mit allen Sinnen erlebt werden muss, möchte ich es euch nicht vorenthalten.

Die aktuelle ESOPUS ist die erste im Querformat. Der dazugehörige Schuber im Hochformat sorgt allerdings dafür, dass auch diese Ausgabe im Regal bei den anderen nicht aus dem Konzept fällt. Ich liebe mitdenkende Menschen ♥

Auf einer der ersten Seiten werden alle Spender namentlich genannt.

Ein an Zungen-, Hals- und Lungenkrebs erkrankter Mann führte während seiner 33-tägigen Strahlentherapie Tagebuch. Die Tage 18 – 23 wurden in ESOPUS abgedruckt. “Fundstücke” dieser Art sind oft im Magazin enthalten. Ein Dialog, ein Blick hinter etwas, Gedanken einzelner Menschen. ESOPUS spielt gerne mit solchen Inhalten und liefert damit mehr als “nur” Kunst.

Jede Ausgabe enthält einen Film in 100 Bildern. Ohne Worte.

Dies sind die Aufzeichnungen eines Regisseurs zu einem seiner Theaterstücke. Diese lose Zettelsammlung steckte in einer Art Sammelmappe auf der entsprechenden Seite. Es sind natürlich keine Originale, allerdings sehen sie fast so aus, denn das Papier ist nicht nur von vorne bedruckt. Die Rückseite ist zusätzlich so bedruckt, dass es den Anschein hat, als würde die Tinte der Vorderseite auf der Rückseite durchscheinen. Solche Details treiben mir Freudentränen in die Augen.

Ich entdeckte ESOPUS, als schon 6 Ausgaben erschienen waren. Die ersten 3 Ausgaben waren damals schon ausverkauft. Aufgrund des hohen Aufwands beim Druck erscheint ESOPUS immer limitiert. Es gibt also leider keine Möglichkeit die ersten Ausgaben zu erwerben. Mit der Zeit sind die Ausgaben 1 – 11 und 13 ausverkauft. Gebraucht findet man immer mal wieder einige Exemplare, die älteren Ausgaben allerdings nur zu einem sehr stolzen Preis. Nummer 3 gibt es immer mal wieder für 50 – 100 Euro. Nummer 2 habe ich ein einziges Mal bei Ebay für 412 Euro weggehen sehen. Die Nummer 1 habe ich noch nie irgendwo zum Verkauf gesehen. Sie muss ein wahrer Schatz sein. Auch wenn sie inhaltlich sicher nicht an ihre Nachfolger herankommt (auf der ESOPUS-Webseite kann im Archiv geblättert werden).

Wie schon gesagt, werden die Fotos der Detailverliebtheit dieses Magazins nicht gerecht. Ich hoffe allerdings trotzdem, dass ich dem ein oder anderen dieses tolle Magazin schmackhaft machen konnte. Es lohnt sich und es riecht immer so schön nach frischem Druck.

Es lebe der Print!

 

Wurst für alle!

Als Teenager habe ich Postkarten gesammelt. Ich habe immer noch eine ganze Schachtel voll. Vornehmlich befinden sich in dieser Schachtel gratis Postkarten aus Cafés und Bars. Am besten gefielen mir natürlich immer die “Kunstkarten” ohne Werbung. Es gab welche mit Fotografien, Illustrationen, witzigen Sprüchen oder tatsächlich Kunst. Und ab dem 25. Juli gibt es eine Wurst. Genauer gesagt meine Wurst! Meine Wurst mit einer Auflage zwischen 50.000 und 150.000 auf gratis Postkarten in ganz Deutschland! Damit ich glaube, was mir gesagt wird, hat das Edgar-Freecards-Team mir freundlicherweise 200 (!) Belegexemplare geschickt. Ja, ich bin jetzt stolze Besitzerin von 200 Wurst-Postkarten. Die nächsten 2 Jahre werde ich postalische Grüße also ausschließlich auf Würsten übermitteln. Oder ich bastel mir einen Wurst-Flur. Eine Wurst-Wand im Bad ist vielleicht auch schön. Vorher-Nachher quasi. Vielleicht lege ich aber auch einfach den nächsten Bestellungen die ein oder andere Karte bei.

Eine kurze Auszeit

Vor zwei Wochen wurde ich vom HKX durch massive Billigpreise zum Urlaub in meiner alten Heimat im Norden gezwungen. Es gibt schlimmeres, würde ich behaupten. Flensburg ist aber nicht nur für ehemalige Einheimische, sondern für jeden eine Reise wert. Erstens ist Flensburg schon an sich sehr pittoresk und trotz der geringen Größe auch sehr belebt und zweitens ist Flensburg der ideale Ausgangspunkt für Tagestrips und Ausflüge ins Umland.

Ein absolutes Muss jeder meiner Flensburg-Besuche ist zum Beispiel ein Trip jenseits der Grenze nach Sønderhav in Dänemark. Ein Ort dem vermutlich niemand je Beachtung geschenkt hätte, wäre da nicht Annies Kiosk. Annie macht seit Jahrzehnten die besten Hotdogs weit und breit. Und als wäre das nicht schon genug, ist die kleine Bude total ideal direkt gegenüber der Ochseninseln an der Flensburger Förde gelegen. Traumhaft. Ein Beweisfoto vom vertilgten Hotdog kann ich allerdings leider nicht liefern. So ein weltbestes Hotdog hält sich nie lang.

Einen der schönsten Tage habe ich in Bockholmwik am Strand verbracht. Gemessen am Traumstrandfaktor ist es vielleicht kein besonders schöner Strand. Dafür aber selbst an sehr sonnigen Tagen nicht überfüllt und absolut naturbelassen. Sogar eine 9-köpfige Schwanenfamilie fühlte sich dort wohl. Ach könnte doch jeder Tag ein Super-Sommer-Urlaubstag sein. -sagte sie und schaute auf dicke Regentropfen zum Fenster hinaus.

 

Auerberg

Vor kurzem flatterte ein Newsletter von Auerberg in meinen Postkasten. In den echten Postkasten. Schon der Katalog, den ich mir vor gut einem halben Jahr liefern ließ, begeisterte mich, ob seiner grafischen und haptischen Schönheit. Beim Newsletter nun die gleiche Begeisterung. Cremeweiß, schwarz und neon-quietsch-orangerot ist erstens eine wirklich gute Farbkombi, zweitens sind die Gestalter, die Poschauko-Brüder, einfach gut in dem was sie tun und drittens sind die Produkte von Auerberg toll. Besonders der Hocker/Beistelltisch/Tritt AEKI hat es mir angetan. So schlicht, so schön, so praktisch. Ach, würden doch alle Firmen so viel Wert auf gute Gestaltung legen. Die Welt wäre so viel schöner.

Der Stempel “RADIKAL SUBJEKTIV” verdient einen zusätzlichen Daumen!

Das war japanisch

Gestern war zum 12. Mal der Japan-Tag in Düsseldorf. Ein riesen Spektakel zu dem alljährlich ca. eine Million (!) Besucher erwartet werden. Keine Frage, da musste ich auch hin. Ich mache mir nicht viel aus großen Festen, aber ich habe mir dieses Fest wirklich toll vorgestellt, denn ich mag die japanische Kultur. Kirschblüten, Origami, Kalligrafie, bunte Muster, Kitsch, Samurai, Ninjas, Geishas, Mangas, Computerspiele, Technik usw. Einem fällt doch direkt soviel typisch japanisches ein. Es hätte ein buntes Erlebnis sein können. Aber wie sah die Veranstaltung größtenteils aus? Eine lange Reihe weißer Pavillons am Rheinufer, in denen überwiegend billig produzierter Kitsch verkauft wurde. Yay! Keine Deko, keine Musik, kein Flair. Echt schade.

Ein Highlight gab es dennoch. Der Kalligrafie-Pavillon. Jeder durfte sich bis zu 2 Worte wünschen, die dann von einer der freundlichen japanischen Damen kalligrafiert wurden. Wunderschön. Überwiegend wurden natürlich Worte wie Liebe, Glück, Leben, Hoffnung, Gesundheit oder der eigene Name gewünscht. Ich wollte “Knallbraun”. Oh je. Damit habe ich die arme Dame völlig aus dem Konzept gebracht. Natürlich gab es kein japanisches Zeichen dafür. Sie überlegte hin und her, schlug in einem Wörterbuch nach, fragte all ihre Kolleginnen, es wurde diskutiert und beraten und schließlich fing sie zu schreiben an. Da hätte ich gern stundenlang zugeschaut. Am Ende hat sie ihr Schreibwerk sogar mit einem Signierstempel signiert.

Ist jemand des japanischen mächtig und kann mir sagen, was nun auf meinem Blatt steht? Der Google Translator spuckt bei Knallbraun etwas anderes aus. Egal. Es ist großartig.

Der großartige Gatsby

Schon länger wollte ich “Deutschlands größten Filmpalast” besuchen. Die Vorpremiere des großen Gatsby schien mir dafür ein angemessener Anlass zu sein. Also machte ich mich auf den Weg nach Essen in die Lichtburg. Ein wunderschönes altes Kino. Ein niedliches Kassenhäuschen vor dem Eingang, roter Vorhang, rote Sitze, ein Balkon, stimmungsvolles Licht, Popcorn mal nicht aus Eimern (in modernen Kinos boykottiere ich das kulinarische Angebot, seit es nur noch “Sparpakete” in supersize ab 10 Euro gibt). Der Film wurde von einem echten Menschen angesagt und es gab sogar einen Vorfilm. Der große Gatsby gefiel mir auch. So laut und pompös und dabei trotzdem sehr zurückhaltend auf so vielen Ebenen. Hach…

 

 

Halkyonische Tage

“Der von Kopf­weh ge­plag­te Fried­rich Nietz­sche ver­wen­de­te die Me­ta­pher im­mer dann, wenn die Hö­hen­luft der En­ga­di­ner Ber­ge sein Lei­den lin­der­te. Doch die Me­ta­pher geht be­wusst über den per­sön­li­chen Be­zug hin­aus. In der Brut­zeit des Eis­vo­gels (gr. Hal­kyon) zur Win­ter­son­nen­wen­de soll es süd­lich der Al­pen be­son­ders kalt, klar und wind­still sein. Auf der hier­in my­thisch be­schwo­re­nen Nord-Süd-Ach­se wer­den – schein­bar bei­läu­fig – die Mo­ti­ve ei­ner pan­the­is­ti­schen Er­in­ne­rung und ei­ner kli­ma­tisch rei­ni­gen­den Kul­tur­wan­de­rung wach, die mehr ver­spre­chen als nur die Ver­rin­ge­rung von Kopf­schmer­zen.”

Ich nutzte den Feiertag am letzten Donnerstag für einen Besuch der Kunsthalle Düsseldorf. Michael Kunze – Halkyonische Tage. Ein Titel der Erklärung bedarf. Nach der Erklärung (siehe oben) ein wirklich interessanter Titel. Allerdings muss ich gestehen, dass mich die wortreichen Beschreibungen von Ausstellungen oder der Kunst selber meist kalt lassen. Ich mache mir gern ein eigenes Bild. Und ob eine Ausstellung einen hintergründigen Titel hat oder nicht, entscheidet für mich nicht über die Wirkung. Trotzdem lese ich diese Texte jedes Mal. Vielleicht aus Angst davor einen wirklich guten Text zu verpassen?

Die Bilder von Michael Kunze sind beeindruckend. Die meisten sind sehr groß, was die Wirkung noch verstärkt. Sie sind mystisch, verschwommen, wirklich und unwirklich zugleich, sie fesseln die Augen, sind unheimlich und etwas beängstigend. Für mich sind sie alles andere als Tage der Ruhe, an denen der Kopfschmwerz nachlässt. Sie hinterlassen ein Summen in meinem Kopf. Die Bilder sind teilweise so erschreckend realistisch in ihrer Surrealität, dass ich Angst davor habe, was als nächstes passiert. Es stimmt, die Bilder sind ruhig. Sie sind aber nur ruhig, weil sie ein Standbild zeigen. Sie stecken in ihrer Ruhe so voller Bewegung, dass sie fast wabern. Wirklich unheimlich. Unheimlich gut. Aber unheimlich. Bisher haben noch keine anderen Bilder dieses spezielle Gefühl bei mir erzeugt.

Die Ausstellung ist noch bis zum 30. Juni in der Kunsthalle Düsseldorf zu sehen. Ich sage, es lohnt sich.

Daheim Kalender

Ich habe einen wahren Schatz gefunden. Genauer gesagt habe ich ihn sogar geschenkt bekommen. Null Arbeit also mit der Suche, der Graberei usw. Es handelt sich um den “Daheim Kalender 1910”. “Daheim” war eine Zeitschrift, wöchentlich erschienen von 1864 bis 1943. Zwischen 1872 bis 1935 erschien zusätzlichlich ein jährlicher Daheim Kalender. Ich glaube das war damals so etwas wie ein Familien-, Lebensführung-, Unterhaltungsbuch hauptsächlich für Frauen. Lieder, kurze Geschichten, Anleitungen für Handarbeiten, Naturabbildungen, Kunst und zahlreiche Anzeigen sind darin zu finden.

Allein das Vorsatzpapier verzaubert mich schon ein wenig. Ja, es gibt auch heute noch wunderschön gemachte Bücher und Kataloge, aber keines entlockt mir so schnell Entzückungslaute wie alte Bücher.

Der eigentliche Kalender umfasst lediglich 24 Seiten. Eine Übersichtsseite zu jedem Monat mit einer Auflistung der Wochentage mit Datum, Auf- bzw. Untergangszeiten von Sonne und Mond, Feiertagen etc. und eine Blankoseite für eigene Notizen. Die typische Frau von 1910 hatte scheinbar nicht sehr viele Termine.

Der wahre Schatz verbirgt sich allerdings im Anzeigenteil ganz hinten. Was und vor allem wie da geworben wird, herrlich. Grafisch ein Traum und inhaltlich teilweise so unfreiwillig komisch. Ich habe bei der Lektüre Tränen gelacht.

Wusstet ihr das Sylt den “stärksten Wellenschlag der Westküste” hat?

In Chemnitz gab es mal die größte Schwarz-Färberei der Welt. Jährlich über 6 Millionen Dutzend Paar Strümpfe wurden dort schwarz gefärbt. “Vollständig giftfrei und durchaus haltbar”. Kaum vorzustellen, dass es vor 100 Jahren noch etwas besonderes war, Stoffe schwarz zu färben.

Sehr witzig sind aber auch die Anzeigen gegen Korpulenz und Magerkeit direkt nebeneinander. Derselbe Anbieter wirbt hier in verschiedenen Schriften für seine Mittelchen. Natürlich “streng reell – kein Schwindel”. Grolichs Haarmilch direkt darunter ist aber auch nicht schlecht. Schon nach zwei Tagen der Anwendung wird graues Haar wieder braun.

Unentbehrlich für Damen sind natürlich Hartmann’s Gesundheits-Binden mit, und jetzt bitte ganz genau mitlesen, Patent-Holzwollwatte-Füllung. Aaaah! Ich war noch nie so froh im Jetzt zu leben. Das allerbeste an dieser Anzeige ist allerdings der Zusatz “man verlange ausdrücklich Hartmann’s Original Befestigungsgürtel hierzu”. Ein Befestigungsgürtel für Binden? Davon hätte ich zu gerne ein Bild.

Das Vorher- Nachherbild der Reise- und Schlafdecke finde ich auch sehr charmant. Vorher: “Oh, diese kurzen feuchten Hotelbetten bringen mich noch zur Verzweiflung, wenn dafür Abhilfe geschaffen würde.” Kurze feuchte Hotelbetten. Da schüttelt es mich. Nachher: “Ah, eine famose Idee, diese mollige Reise- und Schlafdecke endlich mein eigenes Bett auf der Reise.” Allein aufgrund des Wortes famos, gefällt mir diese Anzeige schon außerordentlich. Famos ist ein ganz famoses Wort. Ich finde es sollte viel öfter gebraucht werden!

Ich könnte stundenlang in solchen Büchern blättern. Einfach traumhaft. Der Geruch, die vergilbten Seiten und in diesem Fall auch noch der fabelhafte Inhalt. Ich möchte in einem Antiquariat wohnen!